Spinner

Der Spinner

VON WERNER ZAILER

Zu den ältesten „technologischen“ Fähigkeiten der Menschheit zählt das Spinnen, das Herstellen von Garnen aus Fasern. Von Hand gespon- nen wurde in Europa bereits um 6000 v. Chr., wie Funde aus Greiechenland belegen. Beim Ver- spinnen werden diese Fasern durch Verziehen, Verdrehen und Parallel-Legen zu einem Garn verzwirbelt und aufgerollt.
Jahrtausendelang spannen unsere Vorfahren pflanzliche Faden aus Flachs, Baumwolle oder Wolle und stellten daraus ihre Kleider, Decken oder Teppiche her. Als Werkzeug benutzten sie dafür zunächst die rotierende Handspindel, mit der das Garn jedoch nicht sehr fein gesponnen werden konnte; der Stoff wurde grober und un- gleichmäßiger in der Struktur. Als im 13. Jahr- hundert das Spinnrad aufkam, konnte mit die- ser Neuerung eine Spinnerin doppelt so viel Garn herstellen, wie eine gute Handspindelspinnerin. Je feiner das Garn, desto feiner die verwendeten Fasern und desto aufwendiger der Spinnprozess. Je feiner das Garn, desto teurer ist es.
Lange Zeit war niemand bemüht das händi- sche Spinnverfahren zu verbessern. Das lässt sich daraus erklären, dass mit der richtigen Hand- spindel und gewissem Geschick die unterschied- lichsten Fasern sowie jede gewünschte Garnfein- heit gesponnen werden kann. Das „Werkzeug“ war vielseitig verwendbar und relativ günstig her- zustellen. Erst mit der beginnenden Mechani- sierung des Spinnverfahrens Ende des 18. Jahr- hunderts verschwand sie aus Europa. In vielen Ländern der dritten Welt hat sie ihre Bedeutung bis heute nicht verloren.

Die Handspindel

Beim Spinnen mit einer Handspindel wird die Rohfaser auf einem Rocken (auch: Kunkel, Dieße) befestigt, einem stabförmigen Gerät, an dem die noch unversponnenen Fasern befestigt werden. Es wird unter einen Arm geklemmt, um beide Hände frei zu haben. Die eine Hand zieht ein Faserbündel aus dem Vorrat auf dem Rocken, die andere dreht die Spindel. Ist das Garn so lang geworden, dass der Arm der Spinnerin nicht mehr ausreicht, wickelt sie es auf die Spindel auf. Ein aufwändiger und langwieriger Prozess.

Handspindel zum Herstellen des Fadens

Spinnrad mit einfachem Riemenantrieb

Das Spinnrad

Eine weitere Vorrichtung zum Spinnen von Hand ist das Spinnrad. Es gelangte Ende des 12. Jahr- hunderts aus dem orientalischen Raum nach Eu- ropa. 1298 wird es in einer Speyerer Chronik erwähnt und begann sich im 13. Jahrhundert in Mitteleuropa zu verbreiten; dies belegen Quellen, die von Verboten berichten, das Spindelspinn- rad zu verwenden. Diese könnten erlassen worden sein, um die hohe Qualität des mit Handspindel erzeugten Wollgarns zu schützen. Mit dem Spinnrad gesponnene Wolle galt als nicht fest genug und zu ungleichmäßig, und so war der Einsatz des Spinnrades in manchen Regionen noch bis ins 16. Jahrhundert für die Zünfte der Tuchmacherei verboten.

Seinen Ursprung hat das Spinnrad vermutlich in China. Erste Hinweise auf ein Flügelspinn- rad in unseren Breitengraden finden sich 1480 im Hausbuch der Fürstenfamilie Waldburg-Wol- fegg von 1480. Die Jürgen von Wolfenbüttel zu- geschriebene Erfindung dürfte eine Legende sein. Um 1500 konstruierte auch Leonardo da Vinci ein Flügelspinnrad, das vermutlich in dieser Form aber vermutlich nie zum Einsatz kam. Ein Fuß- tritt ist Mitte des 17. Jahrhunderts belegbar.

Anfangs war das Spinnrad mit Tretantrieb oft- mals nur geringfügig schneller als die Handspin- del, doch der Fußantrieb ermöglichte ein weit- aus weniger anstrengendes Arbeiten. Die Spin- nerin konnte sitzen und hatte beide Hände für den Faserzug frei, was sich positiv auf die Qua- lität des Garnes auswirkte. Mit etwas Übung konnte sie nebenher erzählen oder die Kinder beaufsichtigen. Es wundert jedoch nicht, dass nach der Erfindung dieses Hilfsmittels die Hand- spinnräder immer mehr aus den Spinnstuben ver- schwanden.
Die ersten mechanischen Spinnmaschinen ent- standen im 18. Jahrhundert. Im häuslichen Be- reich jedoch wurde das Flügelspinnrad auch wei- terhin genutzt. Es gehörte bis ins 19. Jahhundert hinein zur Aussteuer einer Braut.